Regie: Jan Troell
Ins gelobte Land auswandern...
"Dies ist die Erzählung über einige Menschen, die aus ihrer Heimat
Ljuder im Smaland nach Nordamerika auswanderten. Im Jahr 1844 hatte die
Gemeinde Ljuder 1.925 Einwohner. Innerhalb von 100 Jahren hatte sich die
Bevölkerung verdreifacht. Ausser den landbearbeiteten Bauern und
Kleinbauern gab es dort noch 39 Handwerker, 92 Personen auf dem
Altenteil und 11. Soldaten. Desweiteren 274 Knechte und Mägde, 23
herumwandernde Knechte, 104 Armenhäusler, 60 Gebrechliche, 5 geistig
Zurückgebliebene, 3 Idioten, 3 Huren und 2 Diebe.
Vier Männer führten Kraft ihres weltlichen und geistigen Amtes die
Gemeinde: Der Propst Brusander, der Lehnsmann der Krone Lönnegren, der
Gutsbesitzer Ritter und Leutnant Paul Rudeberg sowie der Kaufmann Per
Persson. Es war dort so, wie in allen Gemeinden jener Zeit" - so beginnt
das Auswandererepos "Emmigranten" von Jan Troell aus dem Jahr 1971. Der
schwedische Regisseur schob ein Jahr später mit "Das neue Land" eine
ebenso meisterhafte Fortsetzung nach.
Vergleichbar ist der Oscarnominierte Monumentalfilm (Die
Emmigranten hat eine Laufzeit von 171 Minuten, Das neue Land dauert 204
Minuten) mit dem ambitionierten deutschen Meisterwerk "Die andere
Heimat" von Edgar Reitz.
Dabei hat der Regisseur auch die Funktion des Kameramannes
übernommen und es gelangen ihm wunderbare Bilder. Doch inmitten dieser
superben Schönheit herrscht die große Armut und die Menschen in dieser
Zeit hoffen auf ein besseres Leben. Es herrschen Hungersnöte und auch
der Bauer Karl Oskar Nilsson (Max von Sydow) und seine junge Frau
Krisina (Liv Ullman) haben den kleinen Bauernhof von seinen Eltern
übernommen. Schon bald droht die große Verschuldung, denn die Ernten
sind schlecht und der Boden ist karg. Die Naturgewalt in der Form eines
Blitzes zerstört auch den Schuppen mit dem Getreide für den Winter.
Hunger ist angesagt. Karl Oskars Jüngerer Bruder Robert (Eddie Axberg)
ist an Bildung interessiert, er liest sehr gerne und vom Naturell sehr
sensibel. Er träumt von Amerika, seit er etwas über dieses neue Land
gelesen hat. Dort sollen alle Menschen gleich sein. Bei seiner
Anstellung als Knecht freundet er sich mit dem gutmütigen Arvid (Pierre
Lindstedt) an, der ebenfalls Knecht ist und eher der Aussenseiter ist.
Von seinem Hofbauer wird Robert so geschlagen, dass er einen bleibenden
Schaden am Ohr davon trägt. Bei einer weiteren Körperverletzung sorgt
Karl Oskar dafür, dass Robert dort nicht mehr knechten muss. Die Brüder
sind zwar grundverschieden, aber der Traum von Amerika wächst in beiden
immer stärker. Auch der Fundamentalist Danijel Andersson (Allan Edwall)
trägt sich mit dem Gedanken gemeinsam mit seiner Frau Inga Lena (Ulla
Smidje) und anderen Glaubensbrüdern und -schwestern (u.a. Monica
Zetterlund, Eva Lena Zetterlund) auszuwandern, da ihm von Gesetz wegen
untersagt wird religiöse Treffen bei sich zu Hause abzuhalten. Als die
älteste Tochter von Karl Oskar und Kristina in einem Hungerwinter
stirbt, entscheidet sich auch Kristina dafür einen neuen Anfang in einem
Land über dem Meer zu wagen. Doch auch die Überfahrt am Bord eines
kleines Segelschiffs fordert ihren Tribut. Bald merken die Neubürger,
dass der Traum von Amerika sich von der Realität auch massgeblich
unterscheidet. Robert und Arvid versuchen sich als Goldgräber,
Karl-Oskar und Kristina ziehen mit ihren Kindern nach Minesota und
kaufen ein fruchtbares Land im Indianergebiet. Aber die
Schicksalsschläge lassen nicht lange auf sich warten...
Die Inszenierung setzt auf Ruhe und Klarheit. Man hat das Gefühl,
dass in der heutigen Kinolandschaft so etwas visionäres-großes einfach
fehlt. Troell hat hier zweifelsohne ein großartiges Meisterwerk
abgeliefert, dass auch heute noch unglaublich fasziniert, weil alles so
lebensecht und intim wirkt und man einen tiefen Einblick in diese Zeit
der großen Abwanderung aus Europa erhält. Dazu ist jede Szene
vorbildlich gestaltet und immer mehr wirkt die Geschichte regelrecht
aufsaugend und extrem bewegend. In "Nybyggarna" wählte Troell für die
Rückblende, die vom Schicksal Roberts und Arvids berichten, eine
magische Komponente, die fast ohne Ton auskommt und nur die Bilder
sprechen lässt. Ganz beiläufig gelingt es Troell auch noch ein
realistisches Bild über die Vertreibung der Indianer zu zeichnen. Die
überfallen zwar brutal die Siedlung und töten auf schreckliche Weise
auch Frauen und Kinder, werden aber in einer blutigen Vergeltungsaktion
bei einer Massenhinrichtung durch die Armee erhängt. Der Regisseur hat
sich Zeit genommen das Leben dieser Familie Nilsson zu beschreiben und
keine Minute ist zuviel. Der Film verzichtet auf die üblichen
dramaturgischen Kniffe und schafft eine faszinierende Atmosphäre. Wer
diese beiden Film einmal gesehen hat, wird sie nie vergessen.
Bewertung: 10 von 10 Punkten.
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