Regie: Sergio Leone
Es war einmal im Wilden Westen...
"Spiel mir das Lied vom Tod" wirkt ungefähr so als würde man in der
Oper Spaghetti essen - allerdings im Zeitlupentempo und ist vielleicht
sogar Sergio Leones größter Filmtriumph, obwohl dies ja bei so vielen
Meisterwerken wie "Für eine Handvoll Dollar", "Für ein paar Dollar
mehr", "Zwei glorreiche Halunken" oder "Es war einmal in Amerika" gar
nicht so einfach zu entscheiden ist. Jedenfalls hat der viel zu früh
verstorbene Filmemacher bei seinen vielen Fans die Sehnsucht auf das
neue Land geweckt, hier in seinen Filmen spürt man noch die Illusion
eines amerikanischen Traums. Erstmalig inszenierte der Italiener in
Amerika und damit im auch sagenumwobenen Monument Valley, den Amis auch
als John Ford Country ein Begriff. Nicht nur die Schlußszene als Claudia
Cardinale zum Brunnen geht und die wahrscheinlich beste Filmmusik der
Welt einsetzt hat epische, ja überlebensgroße Dimensionen. Die Kamera
fährt zum Himmel empor und umfasst in einer triumphalen Totale das
größte "Wow" den die Kinoleinwände je präsentieren konnten. Jedem war
klar: Genau das war die Geschichte Amerikas. Diese Geschichte um den
Eisenbahnbau und natürlich um die bedinungslose Rache, die grenzenlose
Gier und dem vielen Morden. Diese Geschichte hat Leone als Traum
inszeniert - als Zuschauer hat man das Gefühl selbst ein Immigrant zu
sein, der als Neubürger nun mit seinen Füßen das Land betritt. Und dazu
braucht es die große Leinwand um dies emotional auch richtig zu feiern.
Dabei
standen Leone mit Bernardo Bertolucci und Dario Argento berühmte
Drehbuchmitautoren zur Verfügung, es wurde ihm ein Budget von 5
Millionen Dollar bewilligt.
Statt Clint Eastwood, bisheriger
Hauptdarsteller seiner Western, bekam aber Charles Bronson den Zuschlag
als "Mundharmonika". Ausserdem bekamen Jason Robards und Henry Fonda
Hauptrollen in den Film, was Lezteren, endlich mal den Bösewicht spielen
zu dürfen, besonders freute. In den USA floppte der Film allerdings -
was vielleicht daran lag, dass die Produzenten den Film für die
Kinoauswertung stark kürzten und dem Zuschauer die Handlungselemente
nicht mehr ganz schlüssig vorkamen. In Europa avanchierte der Film sehr
schnell zu einem Riesenerfolg - was nicht nur an der Erstauswertung lag,
sondern an den zahlreichen Wiederaufführungen, die in den 70er Jahren
regelmässig stattfanden. So wurde der Western auch in Deutschland mit 13
Millionen Zuschauern zu einem der erfolgreichsten Kinofilme aller
Zeiten.
Der Kunstgriff des Films ist es, dass er seine im
Grunde sehr einfach strukturierte Geschichte nicht durch hektische
Aktionen erzählt, sondern durch bewusste Verzögerungen. Die
verschiedenen Motive werden geschickt verzahnt und erst am Ende fügen
sie sich als diese Einheit zusammen, für die dieser Ausnahmefilm bekannt
wurde. Er ist aus einem Guß....die Einstellungen sind oft quälend lang
und entladen sich dann in einer plötzlichen Eruption oder aber sie
mündet in einen der sehr sparsam eingesetzten Dialoge, die man nicht
vergisst...
Am Anfang steht das Warten auf dem Bahnsteig. Es
ist das Szenario aus "High Noon" nur noch dreckiger und staubiger. Denn
als blühendes, geordnetes Städtchen kann man die Haltestelle, den
Bahnhof nicht bezeichnen. Dort in dieser Gegend herrscht noch Hektik und
alles riecht nach Aufbau des neuen Landes. Noch ist alles Wüste. Dort
warten drei Revolverhelden (Woody Strode, Jack Elam, Al Mulock) im
Auftrag des Killers Frank (Henry Fonda) auf einen Fremden (Charles
Bronson), der Frank hierher an den Bahnhof bestellt hat. Doch Frank ist
verhindert, denn er und seine Bande, die in ihren langen Staubmänteln
die Gegend terrorisieren, haben sich schon rund um die kleine Ranch von
Frank McBain (Frank Wolff) und dessen drei Kindern (u.a. Enzo und
Simonetta Santaniello) versammelt. Denn McBain ist dem Eisenbahnerbauer
Mr. Morton (Gabriele Ferzeti) ein Dorn im Auge - das wüstenähnliche Land
von McBains ist nämlich in Wahrheit eine Goldgrube, da sich hier die
einzige Wasserstelle weit und breit befindet. Die Killer löschen die
ganze Familie aus, haben aber nicht damit gerechnet, dass McBain an
diesem Tag seine neue Frau Jill (Claudia Cardinale) erwartet, die er vor
einem Monat in New Orleans geheiratet hat. Sie kommt leider nur noch
rechtzeitig zur Beerdigung und erbt den Besitz. Verdächtigt wird der
Outlaw Cheyenne (Jason Robards) , dessen Bande modisch auch in
Staubmänteln auftritt. Im Laufe der Handlung treffen sich die
Hauptfiguren und es darf gerätselt werden, warum "Mundharmonika" so
besessen ist Frank zu treffen. Auch Jill selbst geht mit jedem der drei
Männer eine Art Beziehung ein....
In Sergio Leones Film
treffen Charles Bronson als namenloser Racheengel und Henry Fonda als
Frank, dem Killer mit dem Pokerface und den eisblauen Augen als
Kontrahenten aufeinander. Der Showdown ist die Summe der vorherigen
Begegnungen und es wird klar, dass man Rache auch bis zum Exzess
auskosten kann. Das Bild des Reiters, der dann für immer verschwindet,
macht den Traum noch deutlicher. Alle Szenen sind akribisch genau
durchdacht und haben sogar Ballettcharakter. Langsam schreiten Killer
auf das Haus zu, die Schritte sind bedächtig und sogar langsam gewählt,
dazu der Score von Morricone, der sehr oft den Dialog erfolgreich
ersetzt. Oder diese Szene mit der alles anfängt: Am Bahhof - die Killer
warten minutenlang. Es passiert nichts. Einer ist genervt von einer
Fliege, dem anderen fallen Wassertropfen von der Decke auf den Kopf. Der
Zug trifft ein. Kann es sein, dass der Reisende gar nicht kommt ? Dann
setzt die Mundharmonika-Musik ein und spielt das Lied vom Tod. Der
Fremde fragt, ob er ein Pferd haben kann. Darauf antworten die Killer
"Nein, sie hätten ja nur drei" und der Rächer erwidert "Stimmt nicht,
ihr habt zwei zuviel". Solche Dialoge finden sich einige im Film, der
immer mehr Szenen bietet, die ein breites Mosaik ergeben. Eine der
besten Szenen ist die Attacke auf die McBains. Am Ende kommt der einzige
Überlebende, der kleine Timmy, aus dem Haus gestürmt. Sieht dort am
Boden seinen Vater und seine beiden Geschwister liegen - er blickt in
die Augen von Frank, umgeben von seinen Schergen. "War das der Richtige,
Frank ? " fragt einer der Männer. "Du sollst nicht meinen Namen nennen"
entgegnet er diesem und die Mündung seiner Pistole geht in Richtung des
kleinen Jungen. Ein Schuß - Szenenwechsel - das Geräusch des Schußes
ist übergegangen in das Pfeifen einer Lokomotive, die die neue Szene
einläutet.
Eisenbahn, Wüste, Wasser, das sind die äußeren
Bedingungen, unter denen die Handlung des Films spielt. Das Urbahrmachen
eines neuen Landes durch die Pioniere und deren Geist.
Dieser
Übergang von der alten Welt zur neuen Welt, wie er die beteiligten
Personen überrollt, wird in dem Film dargestellt. In der alten Welt
regierte die Waffe, das Gesetz des Stärkeren und in der neuen Welt das
Geld - was noch stärker macht.
Der Untergang dieser alten Welt
ist nur die eine Seite des im Film dargestellten Prozesses. Denn der
Untergang der alten Welt ist zugleich die Durchsetzung der neuen Welt.
Doch diese neue Welt ist auf handelnde Personen angewiesen, die ihre
Interessen verfolgen und in der neuen Welt neue Perspektiven für sich
erkennen. Von diesem Wandel erzählt dieses große Epos.
Bewertung: 10 von 10 Punkten.
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